Glaubwürdigkeit
Immer wieder kommt es zu Diskussionen in der Öffentlichkeit, wenn es darum geht, dass Betroffene von sexualisierter Gewalt, sexueller Belästigung, Missbrauch oder sexuellen Übergriffen öffentlich über Ihre Erfahrungen sprechen. Noch häufiger wie diese Diskussionen, ist die Tatsache, dass eben diesen Betroffenen nicht geglaubt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Beschuldigte aus dem privaten Umfeld oder eine Person aus der Öffentlichkeit ist. Denn die Menschen, die diese Erfahrungen mit der beschuldigten Person nicht machen mussten, kennen eben diesen Menschen als liebevollen und aufopfernden Familienvater, als Menschen, der sich für soziale Projekte einsetzt, als angesehene Person in der Öffentlichkeit etc. pp…
Niemand, der diese Erfahrungen mit den beschuldigten Personen nicht gehabt hat, kann sich vorstellen, dass diese(r) solche Sachen/Straftaten begeht. Und das, was dann passiert, ist dass den Menschen, die diese Anschuldigungen öffentlich machen, nicht geglaubt wird. Sie werden öffentlich als Lügner dargestellt. Es wird gesagt, dass diese Menschen nur Aufmerksamkeit wollen, dass sie bei den beschuldigten Menschen nicht landen können und sie sich aus diesem Grund diese Anschuldigungen ausdenken, es wird behauptet, dass sie schon immer gelogen haben, es wird behauptet, dass sie sich in den Mittelpunkt spielen wollen, schon immer Drogen und Alkohol zu sich genommen haben. Aber all das, entspricht in den seltensten Fällen der Realität.
Die breite Öffentlichkeit, die Menschen, die nicht betroffen sind, können sich nicht vorstellen, wie hoch der Druck bei betroffenen Menschen ist. Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, dass ein breiter Shitstorm auf sie nieder prasselt, sie begehen in Augen der Täter eine der größten „Sünden“. Sie reden über das, was passiert ist, obwohl ihnen das die beschuldigten Personen/ Täter eingetrichtert haben, dass nie darüber gesprochen werden darf. Sie reden, obwohl die Scham- und Schuldgefühle, die ihnen eingetrichtert wurden, riesengroß sind. Sie reden, obwohl sie unsagbare Angst verspüren.
Von der Justiz und einem großen Teil der Öffentlichkeit heißt es: Ein Mensch gilt trotz Vorwürfen, solange als unschuldig, bis seine Schuld einwandfrei bewiesen ist. Wieso gilt dieses Gesetz nicht auch für die Menschen, die über Missbrauch, sexualisierte Gewalt oder sexuelle Belästigung öffentlich reden? Egal ob sie jetzt öffentlich getätigt werden, oder allein bei der Polizei? Jemand der öffentlich über das spricht, was er/sie erlebt hat, auf den prasselt oftmals ein Shitstorm ein. Auch dann, wenn die Aussagen von anderen bestätigt werden. Wie erst fühlen sich dann Menschen, die Täter innerhalb der Familie anzeigen oder aufdecken?
Wir in unserer Selbsthilfegruppe/unserem Verein gehen an das Thema so ran, dass wir grundsätzlich allen Menschen, die zu uns kommen und von solchen Dingen berichten, glauben. Denn viele von uns haben erlebt, wie es ist, wenn man eine Aussage macht und einem nicht geglaubt wird. Weil es zu unvorstellbar klingt, weil es nicht in die Welt derer passte, denen wir davon erzählt haben, weil Täter die totale Rückendeckung aus der Familie haben.
Wir streiten nicht ab, dass es auch einige wenige Menschen (auch nachweislich) gibt, die mit einer solchen Aussage, ihre eigenen persönlichen Belange durchziehen wollen, obwohl sie nicht stimmen.
In unserem Verein, in unserer Selbsthilfe glauben wir den Menschen, die zu uns kommen, oder Beratung am Telefon suchen. Auch wenn das, was wir hören, noch so unwahrscheinlich klingt. Denn wir wissen, dass es all diese Dinge auf der Welt gibt. Wenn ein betroffener Mensch schon all seinen Mut zusammennimmt und über die Straftaten spricht, die an ihm begangen worden sind, sollte ihm geglaubt werden. Denn es erfordert enorm viel Mut, solche Aussagen zu machen.